Auf Social Media taucht immer wieder der sogenannte LifeVac auf. Das Gerät soll akute Erstickungen lösen und so Leben retten. Handelt es sich hier wirklich um eine lebensrettende Erfindung oder eher um Geldmacherei mit der Angst vornehmlich junger Eltern? Gibt es günstigere Alternativen? Und vor allem: Ist der Einsatz in Notsituationen überhaupt hilfreich und sicher, oder birgt die Anwendung sogar Gefahren?

Wir haben in diesem Bericht zahlreiche Studien, Medienberichte und Experteneinschätzungen zum LifeVac analysiert und zusammengetragen, um diese Fragen zu beantworten.

Der LifeVac ist ein patentiertes Gerät, das durch Erzeugung eines Unterdrucks Fremdkörper aus den Atemwegen entfernen und so Menschen vor dem Ersticken retten soll, wenn herkömmliche Erste-Hilfe-Methoden versagen. Man kann die Erfindung laut Hersteller im Gegensatz zu Rückenklopfern und Heimlich-Griff auch alleine bei sich selbst anwenden.

Wenn man die LifeVac-Website und vor allem die Werbeanzeigen betrachtet, wird eines deutlich: Es wird klar mit Emotionen – vor allem mit Angst – gearbeitet, um Menschen zum Kauf zu bewegen. Dies hinterlässt bei mir ein etwas ungutes Gefühl.

Bei meiner weiteren Recherche zeigt sich aber: Es steckt durchaus Substanz hinter dem Gerät. Der Lifevac ist in den USA FDA-registriert. In Großbritannien ist es eines von nur zwei zugelassenen Anti-Erstickungs-Geräten.

An dieser Stelle ist wichtig zu erwähnen: Die britische Gesundheitsbehörde hat eine Warnung herausgegeben bezüglich Nachbildungen und Fakes des LifeVac1.

Diese kursieren online und werden meist zu einem geringeren Preis angeboten. Dabei verwenden die Betrüger manchmal sogar den LifeVac-Namen.

Die Behörde warnt vor diesen meist billig in Fernost hergestellten Geräten, die keine Zulassung besitzen.

Laut der Behörde sind sie nicht nur wirkungslos, sondern können im Ernstfall auch großen Schaden anrichten.

Ein sicherer Weg um Fälschungen zu vermeiden, ist, nur auf der offiziellen LifeVac-Website zu bestellen.

LifeVac Studien

Auf der offiziellen Website wird damit geworben, dass die Wirkung des LifeVac durch unabhängige Studien gestützt sei. Was ist dran an dieser Behauptung?

Die erste Studie, auf die ich stoße, ist eine randomisierte Cross-over-Studie an Mannequins der britischen Warwick Universität2. Dabei wurde verglichen, wie gut sich ein im Mannequin steckender Fremdkörper entfernen lässt – mit dem Heimlich-Griff (Standard-Erste-Hilfe-Manöver bei Ersticken), dem Dechoker (das 2. in GB zugelassene Anti-Erstickungsgerät) und dem LifeVac.

Die Studie befand, dass der LifeVac den Fremdkörper nicht nur insgesamt in deutlich mehr Fällen als die beiden anderen Methoden entfernte, sondern auch schneller.

Das Ergebnis: Der LifeVac schaffte es in 99 % der Fälle, den Fremdkörper zu entfernen, der Dechoker in 74 % der Fälle und der Heimlich-Griff in 71 %. Zudem befand die Studie, dass das Entfernen mit dem LifeVac deutlich schneller erfolgte als mit den anderen Methoden.

In einer im American Journal of Gastroenterology veröffentlichten Studie3 wurde ein Laerdal-Erstickungssimulator verwendet, bei dem ein standardgroßes Hotdog-Stück 1,5 Zoll tief in den Atemwegen des Simulators feststeckte. Dieses wurde dann versucht mit dem LifeVac zu entfernen.

Die Ergebnisse: Der LifeVac entfernte das Hotdog-Stück bei 472 von 500 Versuchen bereits bei der ersten Anwendung, in 497 von 500 Versuchen nach zwei Anwendungen und bei der dritten Anwendung waren alle Hotdog-Stücke entfernt.

Ein Kritikpunkt bleibt: Diese Studien wurden an Attrappen durchgeführt. Der Autor der zweiten Studie weist selbst darauf hin: Obwohl die Ergebnisse vielversprechend sind, seien noch weitere Untersuchungen nötig. Studien an lebenden Menschen durchzuführen gestaltet sich aber aus ethischen Gründen als fast unmöglich. Denn man kann natürlich niemanden nur für die Durchführung eine Studie in Erstickungsgefahr bringen.

Allerdings finde ich eine Fallstudie des International Journal of Clinical Skills4. Diese dokumentiert 10 echte Fälle, in denen der LifeVac in Notsituationen erfolgreich angewendet wurde und so 10 Menschen vor dem Ersticken rettete. In keinem der Fälle kam es nach dem Einsatz zu Nebenwirkungen.

Medienberichte und Experteneinschätzungen zum LifeVac

Der LifeVac hat in den Medien bereits für reichlich Aufmerksamkeit gesorgt – sei es in Fachartikeln, TV-Reportagen oder großen Nachrichtenportalen. Ein besonders interessanter Artikel5 erschien bei Forbes, geschrieben von der amerikanischen Ärztin Dr. Nina Shapiro.

Im Artikel wird unter anderem die Geschichte einer Mutter aus Kalifornien erzählt, deren 11 Monate altes Baby zu ersticken drohte. Die ältere Schwester rief den Krankenwagen. Währendessen versuchte die Mutter, den feststeckenden Fremdkörper mit den empfohlenen Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Ersticken (Schläge zwischen die Schulterblätter und Brustkorb-Kompression) zu lösen. Doch nichts davon wirkte. Die Lippen des Babys wurden bereits blau, als sich die Mutter an ihren gekauften LifeVac erinnerte.

Nach zwei Versuchen mit dem Gerät sprang das Plastikstück heraus. Das Kind begann zu weinen, und die Lippen wurden wieder rosa. Der wenig später eintreffende Notarzt überprüfte das Baby und gab grünes Licht – die Atmung war normal, die Lungen frei. Das Baby rannte wieder herum, als wäre nicht fast der größte Alptraum seiner Mutter Realität geworden.

Die Autorin des Forbes Artikels erwähnt zudem eine spannende Studie der UCLA6. Diese ergab: Der LifeVac erzeugt mehr als doppelt so viel Druck verglichen mit herkömmlichen Erste-Hilfe-Methoden wie Rückenschläge oder der Heimlich-Griff. Zudem wurden eine Kadaverstudie und eine Simulationsstudie zitiert, in denen die Erfolgsquote des LifeVac bei drei Versuchen jeweils bei 100 % lag.

Einen großen Anteil zur Bekanntheit des LifeVac trug die US-amerikanische TV-Show Inside Edition bei. In mehr als 8 Beiträgen berichtete Inside Edition über verschiedene Vorfälle in denen der Einsatz der Erfindung Leben rette und dabei von Bodycams und Überwachungskameras aufgezeichnet wurde. Einen dieser Beiträge habe ich hier als Video eingebettet. 8 weitere sind unten im Quellenverzeichnis verlinkt.

Obwohl der LifeVac noch nicht nationaler Standard bei Polizei und Rettungskräften ist, gibt es lokal ganze Bezirke, die sich mit dem Gerät ausrüsten, wie aus diesem Medienbericht17 hervorgeht.

Auch die BBC berichtete18 über den Lifevac: Eltern aus dem britischen Kent verloren ihren 9 Monate alten Sohn, als dieser an den Folgen von Ersticken in der Kinderkrippe starb. Die Eltern starteten anschließend in Erinnerung an ihren Sohn eine eigene Wohltätigkeitsorganisation, die Krippen und Kindergärten kostenlos mit dem LifeVac ausrüstet. Ein Gerät, auf das sie erst nach dem Tod ihres Sohnes aufmerksam wurden.

Fazit:

Auch wenn mir die Werbetaktik und Website des LifeVac ein etwas ungutes Gefühl gaben, untermauern mehrere Studien und zahlreiche Medienberichte die Wirkung der Erfindung. Wenn man das Gerät erst dann anwendet wenn herkömmliche Erste-Hilfe Maßnahmen nicht halfen, sehe ich keine Nachteile.

Betrachtet man Medienberichte und Studien, zeichnet sich ein recht klares Bild. Vor allem die UCLA-Studie6 liefert ein interessantes Detail. Der LifeVac erzeugt mehr als doppelt so viel Druck verglichen mit herkömmlichen Erste-Hilfe-Methoden wie Rückenstöße oder der Heimlich-Griff. Das erklärt, warum das Gerät Erstickungen lösen kann, bei denen klassische Maßnahmen wirkungslos bleiben.

Knapp 70 Euro für einen LifeVac sind natürlich nicht gerade wenig. Allerdings gibt es im Moment keine günstigeren Alternativ-Geräte zum patentierten LifeVac. Man könnte dem Unternehmen vorwerfen, seine Monopol-Stellung auszunutzen. Allerdings ist nicht einsehbar, wie hoch die Produktions- und Entwicklungskosten für das in Europa hergestellte Gerät sind.

Wie viel ist ein Leben wert? Wenn man sich solche Fragen stellt, erscheint der Preis eines LifeVac verschwindend gering. Gleichzeitig wird auch klar, wie das Unternehmen diesen Umstand zu seiner Bereicherung nutzen könnte.

Was die Wirksamkeit des LifeVac angeht, gibt es allerdings wenig zu bezweifeln. In mehreren unterschiedlich durchgeführten Studien lag die Erfolgsquote des Geräts nach maximal drei Anwendungen bei 100 %. Zudem löste es Fremdkörper und rettete damit vor dem Ersticken, wo herkömmliche Erste-Hilfe-Maßnahmen und das Konkurrenzgerät machtlos waren.

Zudem berichteten unter anderem Forbes5, Inside Edition9 und die BBC über mehrere Fälle in denen der Lifevac Leben rettete. Auch wenn der LifeVac noch nicht nationaler Standard ist, gibt es lokal immer mehr Rettungskräfte und zum Teil sogar ganze Polizeibezirke, die sich mit dem Gerät ausrüsten. Obwohl auch die meisten Experten dem Gerät positiv gegenüberstehen, wird eines immer wieder betont. Man solle den LifeVac erst dann anwenden, wenn herkömmliche Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Ersticken versagt haben.

Um diese Erste-Hilfe Maßnahmen zu beherrschen, empfiehlt es sich generell einen Erste-Hilfe Kurs zu besuchen. Im Mindesten sollte man die Maßnahmen über das Internet erlernen. Hierzu habe ich die entsprechende Seite zur Hilfe bei Ersticken des Roten Kreuzes15 und der Malteser16 verlinkt.

Beim Lesen von Bewertungen, Erfahrungen und Forumsbeiträgen von Menschen, die den Lifevac kauften stieß ich immer wieder auf eine Aussage. Die Kunden berichten, das Gerät zu besitzen beschert ihnen ein Gefühl der Sicherheit und ein ruhiges Gewissen.

Der Forenbeitrag einer Mutter ist mir dazu besonders in Erinnerung geblieben.

Ihr Kind im Kleinkindalter begann beim Essen an einem Apfelstück zu ersticken. Die Mutter blieb ruhig und begann sofort mit Schlägen zwischen die Schulterblätter des Kindes. Nach dem dritten Schlag kam das Apfelstück herausgeflogen, und ihr Kind konnte wieder frei atmen.

Der Grund, warum sie nicht in Panik ausbrach und ruhig bleiben konnte, war laut dem Posting der Mutter folgender: Sie wusste sie hatte noch den LifeVac zuhause – sozusagen als letztes Ass im Ärmel.

Abschließend lässt sich sagen: Der LifeVac hält, was er verspricht. Mehrere Studien, zahlreiche Medienberichte und dutzende auf Kamera festgehaltene echte Notfälle bestätigen die lebensrettende Funktion des LifeVac. Im Moment gibt es nur ein zugelassenes Alternativ-Gerät, das vom Preis her ähnlich ist, aber in Studien schlechter abgeschnitten hat.

An dieser Stelle aber noch ein Wort der Vorsicht: Die britische Gesundheitsbehörde hat eine offizielle Warnung ausgesprochen, da aktuell viele billige Nachbauten des LifeVac online kursieren. Diese sind nicht zugelassen und können im Ernstfall großen Schaden anrichten. Einige werden illegalerweise sogar unter dem LifeVac-Namen vermarktet. Wer sichergehen möchte, ein Original zu erhalten, sollte nur auf der offiziellen LifeVac-Website bestellen. Zur LifeVac Herstelllerwebsite.

Quellen:

1 https://www.gov.uk/government/news/mhra-warns-of-unsafe-counterfeit-anti-choking-devices

2 https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2666520420300680

3 https://journals.lww.com/ajg/fulltext/2016/10001/lifevac__a_novel_apparatus_for_the_resuscitation.2531.aspx

4 https://www.ijocs.org/clinical-journal/successful-use-of-a-novel-device-called-the-lifevac-ton-resuscitate-choking-victims-worldwide-results.pdf

5 https://www.forbes.com/sites/ninashapiro/2019/06/23/anti-choking-device-is-saving-lives/

6 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30578993/

7 https://www.insideedition.com/police-officer-uses-lifevac-to-save-boy-who-lost-consciousness-after-choking-on-candy-87734

8 https://www.insideedition.com/choking-baby-saved-by-lifevac-device-parents-bought-after-seeing-it-on-inside-edition-77654

9 https://www.insideedition.com/media/videos/mom-saves-choking-infant-son-with-lifevac-72057

10 https://www.insideedition.com/media/videos/texas-cop-saved-choking-little-boy-with-lifevac-86380

11 https://www.insideedition.com/hero-husband-uses-lifevac-device-to-save-wife-choking-on-a-meatball-76345

12 https://www.insideedition.com/media/videos/ohio-police-officer-uses-lifevac-device-to-save-choking-2-year-old-82295

13 https://www.insideedition.com/media/videos/choking-10-month-old-saved-by-strangers-lifevac-device-71138

14 https://www.insideedition.com/media/videos/california-police-officer-rescues-8-year-old-choking-on-piece-of-hard-candy-87744

15 https://www.drk.de/hilfe-in-deutschland/erste-hilfe/ersticken/

16 https://www.malteser.de/aware/hilfreich/erste-hilfe-bei-verschlucken-so-rettest-du-leben.html

17 https://thecountypress.mihomepaper.com/articles/imlay-city-police-dept-deploys-lifevac-devices-in-patrol-cars/

18 https://www.bbc.com/news/uk-england-kent-67934761